Der etwas andere Buchladen

Redaktion Frank Wendler
Redaktion Frank Wendler

Im Bücher-Brocky warten an sechs Tagen die Woche 100.000 Bücher auf Kundschaft. Wer Bücher liebt, kommt hier auf seine Kosten. Versprochen.

Ich bin alle zwei Wochen im Bücher-Brocky schräg gegenüber dem Bahnhof Enge. In diesem Kellergeschoss stehen geschätzt 100.000 Bücher und jeden Tag landen neue Kisten, Kartons, Boxen, Kästen, Pakete und Tüten voller gebundener Romane, Taschen-, Kinder- und Reisebücher, Folianten, Kunstbände, Lexika, Comics, Zeitschriften, aber auch CDs und DVDs in dem weitläufigen Raum. Alle zum Verkauf stehenden Medien sind Spenden, die entgegengenommen, geprüft, klassifiziert, in Sparten in die Regale gestellt und natürlich zum Teil auch aussortiert werden: 3,50 CHF kostet ein Taschenbuch, 4,50 CHF ein gebundenes Buch, Bildbände und andere großformatige Bücher einen Franken mehr. Ich bin immer wieder begeistert über meine Funde, überlege vorab, welche Neuerscheinungen mich interessieren und ich bin verblüfft, wie oft ich einen Treffer lande. In den letzten Monaten habe ich unter anderem die neuen Romane von Stefanie Schneider, Monika Helfer und Annie Ernaux gekauft. Charles Lewinskys Halbbart, Bonnie Garmus Eine Frage der Chemie und Ian mcEwans Lektionen, alle 2022 und 2023 erschienen, stehen jetzt in meinem Regal. 

Das Bücher-Brocky in Zürich wurde im Jahr 2000 eröffnet. Es ist, anders als die fast 20 Brockenhäuser in der Stadt, kein gemeinnütziger Verein, sondern Teil des privaten Unternehmens Bücher-Brocky mit weiteren Standorten in Luzern, Basel, Bern und Aarau. Reto Egli ist Mann der ersten Stunde, jetzt im 24. Jahr dabei. Ich frage ihn nach seiner Ausbildung, erwarte einen Buchhändler, Verlagskaufmann, so etwas. Er antwortet: Ich bin Maler. Er habe in Zürich «schaffen» wollen, der Gründer Clemens Ribler habe ihn gefragt, ob er mitmachen wolle, sie hätten den Raum eingerichtet – und jetzt sei er eben immer noch dabei. Das nenne ich mal einen Tapetenwechsel. Mittlerweile arbeiten hier vier Angestellte, die alle Aufgaben vom Sichten bis zum Einordnen teilen, am Wochenende ist ausserdem eine Frau im Team.

Wir stehen im Hinterraum vor einem Berg neu eingetroffener Romane. Ich frage Reto, welche Bücher es ins Regal schaffen. Er sagt, das richte sich nach den Wünschen der Kunden, Erfahrungswerte spielen eine Rolle, bekannte Namen, letztlich das Gespür für gute Bücher. Die Kombination aus Kenntnissen und Kundenorientiertheit funktioniert: in den Literatur-Regalen steht überhaupt kein Schund, sondern ein weit gefächertes, nach Verlagen oder thematisch geordnetes Angebot. Zwangsläufig schafft es vieles nicht in den Verkaufsraum. Aber die Reste werden regelmäßig abgeholt, recycelt und wieder zu Papier verarbeitet. 

Anschliessend laufe ich zufrieden heim mit «Zauber der Stille», dem neuen Buch von Florian Illies über den Maler Caspar David Friedrich, das Ende Oktober 2023 erschienen und gerade eben, gerade einmal zwei Monate später, in meinen Besitz übergegangen ist. 

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Von Frank Wendler am 11. Januar 2024 veröffentlicht.

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