Er sagt I Sie sagt: Pobody’s nerfect

Im Gewerbemuseum Winterthur wird aktuell eine Ausstellung über Makel, Mankos und Defekte gezeigt. Lustig, findet unser Autor:innen-Duo, aber nicht nur.

Sie sagt:

Seit Jahren laufe ich bereits regelmässig am Gewerbemuseum Winterthur vorbei. Schon oft habe ich mir gedacht, ah spannend, ein Museum, was es da wohl gibt, aber dabei blieb es dann auch. Bis jetzt.

Eine Ausstellung über Makel, Mankos und Defekte, das spricht mich an. Fehler sind ja oft attraktiver als kalte Perfektion, das zeigt die rege Nutzung von Retro-Filtern auf Instagram, die Beliebtheit von Live-Performances oder der absurde Wert von falsch gedruckten Briefmarken. Der Titel verspricht auch ein gewisses Humorlevel und einen spielerischen Ansatz. Wir sind gespannt.

Am Eingang der Ausstellung hängt eine Streichholzsammlung. Peter Herbert hat über Jahre misslungene Exemplare gesammelt und katalogisiert und ist mit dem «Zusammentragen der grössten Zündholzabnormitätensammlung» sogar im Guinness-Buch der Rekorde gelandet. Sehr lustig finde ich die krummen, zu dicken oder mehrköpfigen Hölzchen mit viel zu viel oder überhaupt gar keinem Schwefel.

Allgemein unterhält mich die Ausstellung bestens. Da ist eine Sammlung aus Objekten mit Produktionsfehlern, eine Slideshow mit Bildern von behelfsmässigen Haushaltsreparaturen oder eine Auflistung von Erfindungen, die aus Fehlern heraus entstanden sind. Zum Beispiel Post-its! Es gibt aber auch nachdenkliche Momente in der wirklich sehr schön kuratierten Ausstellung, zum Beispiel eine Fotoreihe über immer abstrakter werdende gehäkelte Bettschuhe, die das Versinken der Herstellerin in der Demenz dokumentieren.

Einer der Schwerpunkte ist Design. Hier regt das Implementieren von Zufällen in Herstellungsprozesse, das Kokettieren mit Materialien oder das humoristische Auf-die-Spitze-treiben von Alltagsobjekten zum Nachdenken an. Ist ein Rasierer mit Klingen auf beiden Seiten des Griffs wirklich besser als sein langweiligeres Gegenstück?

Mit Design hört die Ausstellung dann auch auf. Der letzte Saal lädt zum Werkeln ein: Mit Holz, Klebefolien oder am Computer werden Stühle kreiert. Und hier finde ich auch meinen Co-Autor wieder, der beim Lesen der Ausstellungstexte immer ein bisschen schneller ist als ich (eine Erkenntnis, die mich natürlich umso langsamer macht). Zufrieden sägt, schraubt und hämmert er und beweist: Wenn der Weg so viel Freude macht, ist das Endprodukt doch eigentlich egal.

Er sagt:

Zugegeben, für einen kultur- und wissensbegeisterten Einwohner kenne ich mich in der stolzen Museumsstadt Winterthur denkbar schlecht aus. Ich wohne ein paar Häuser neben dem Gewerbemuseum Winterthur und weiss nicht mal, was die genau machen. Aufgrund des Namens rechne ich mit Wirtschaftsgeschichte. Auf ihrer Website aber versprechen sie mir «sinnliche Einblicke in aktuelle Themen». Klingt eher nach Bildender Kunst. Die Ausstellung heisst allerdings «Perfectly Imperfect», das klingt nach Grammatik.

Stellt sich heraus, dass beim Namen des Museums auch die Vorsilbe «Kunst» mitgemeint ist. Und bei Kunstgewerbe wiederum spricht man heute meistens einfach von Design. Unbequeme Stühle also, denke ich, und fühle mich fachkundig, als die Ausstellung in der Tat fünf Stühle präsentiert, einer unpraktischer als der andere, aber selbst beim Abgefackelten und beim Angeschmolzenen legen die Infotafeln viel Wert auf die Betonung, man könne sich immer noch draufsetzen.

Mit dem Humor holt mich die Ausstellung dann auch ab. Sie läuft Gefahr, mit ihrem enorm breiten Thema von Makeln an allerlei Produkten etwas beliebig zu werden. Zum Glück nimmt sie sich viel Raum für verspielte Werke wie die allzu wissenschaftliche Streichholzsammlung, die unmotivierte Farfalla-Nudel oder das Prosecco-Glas, dessen 1-dl-Markierung so schräg ist, als wäre man schon besoffen.

Und am Schluss kommt zu meiner Freude ein Raum, in dem man tatsächlich aus Dachlatten selber einen Stuhl zimmern soll. Meiner ist kolossal unbequem. Beeindruckt von meinem Designtalent stolziere ich ins Museumscafé.

Perfectly Imperfect – Makel, Mankos und Defekte

Gewerbemuseum Winterthur

Perfectly Imperfect – Makel, Mankos und Defekte

Fehler tauchen auf, Missgeschicke geschehen, Dinge nehmen Schaden, vieles bleibt unvollendet oder im Provisorium. Das Unperfekte begleitet unser Leben und ...

Dauerausstellung

Perfectly Imperfect – Makel, Mankos und Defekte

Gewerbemuseum Winterthur

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Öffentliche Führung durch die Ausstellung

Nobody's perfect

Gewerbemuseum Winterthur

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Museumskonzert in der Ausstellung «Perfectly Imperfect»

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Von Rebekka & Sebastian am 22. Februar 2024 veröffentlicht.

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