«Einfach wunderbar bunt»

Redaktion Frank Wendler
Redaktion Frank Wendler

Was passiert, wenn sechs Menschen aus sechs Ländern und drei Kontinenten gemeinsam das Kunsthaus besuchen?

Normalerweise sitzen wir, in der Regel ein halbes Dutzend Menschen aus ebenso vielen Ländern, im Sprach-Café des Gemeinschaftszentrums Buchegg zusammen und üben mehr oder weniger fliessend auf Deutsch miteinander zu sprechen. Diesmal sind wir unterwegs, haben uns für einen Besuch der Sammlung am kostenlosen Mittwoch im Kunsthaus verabredet. Fünf Frauen kommen. Es sind fast immer Frauen, die das Sprach-Café besuchen.

Juli aus Spanien liebt vor allem die Blumenbilder und kann mit den modernen Werken nichts anfangen. Einzige Ausnahme sind die grossen Bilder von Willem de Kooning, weil seine Bilder «einfach wunderbar bunt» sind.

Mit ihrer Vorliebe für die Farben und weniger Interesse an den Motiven steht sie nicht alleine da. Die Afroamerikanerin Lauren aus Südkalifornien zeigt mir auf ihrem Handy «an african godess» mit aufgetürmten Haaren, vielfarbigem Kleid und goldenem Dekor, außerdem mit leuchtenden Augen die Zeichnungen ihrer kleinen Tochter, die überall in ihrer Wohnung hängen.

Carlotta ist überwältigt von der großen Vielfalt der Sammlungen im neuen Trakt, freut sich aber auch über den Austausch mit den anderen, redet weit mehr als im Sprach-Café, fragt, warum es so wenige Werke von Frauen gibt, in ihrer Heimat Mexiko werde neben Diego Riviera besonders Frieda Kahlo sehr verehrt.

Sonja aus Uruguay mag vor allem die Kraft der expressionistischen Bilder. Sie will auf jeden Fall wieder­kommen, allerdings nur eine einzige und nicht gleich drei Ausstellun­gen besuchen. «So viele schöne Sachen», kommentiert sie begeistert.

Die schüchterne Ayda Rida mit dem Kopftuch kommt aus dem Libanon. Sie ist auf dem Dorf aufgewachsen, hat in Beirut Wirtschaft studiert, lebt seit vielen Jahren mit Mann und sechs Kindern in Zürich. Museen wie das Kunsthaus gibt es in ihrer Heimat nicht, stattdessen Keramiken und Statuen aus phönizischer und römischer Zeit, weswegen sie sich aufmerksam Dutzende von einem zeitgenössischen Künstler gestaltete Schalen, Töpfe und Objekte anschaut.

Die Römerin Darcia steht lange vor einem Gemälde van Goghs, auf dem zwei Bäuerinnen gebückt ihr Feld bearbeiten. Die Frauen kommen zusammen und jede sieht etwas anderes: Sonja bewundert die Farben, Juli die spürbar religiöse Stimmung, Darcia die Ruhe des Bildes trotz des heftigen Farbauftrages, Ayda sieht vor allem die harte Arbeit der Feldarbeiterinnen.

Und am Ende dann ein Höhepunkt des Besuches: die in wechselnde Farben getauchte Installation von Pippilotti Rist, von der alle und besonders Lauren total begeistert sind.

Der Besuch mit einer Gruppe ist einfach bereichernd, weil andere Menschen andere Sichtweisen haben. Wer Lust auf diese Art von Begegnung hat, sollte es einmal auf meetup.com versuchen. Dort findet ihr diverse Angebote für gemeinsame Museums- bzw. Ausstellungsbesuche.

Weitere Möglichkeiten, Sprachenlernen und Kunst zu verbinden: 

Von Frank Wendler am 26. Januar 2023 veröffentlicht.

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